Spitzensport
24.07.2019

Noch 1 Jahr bis Olympia: "Wollen um Medaillen segeln"

(C) Amrei Hinteregger

Am 24. Juli 2020 werden die olympischen Spiele in Tokio eröffnet. Heute, exakt ein Jahr davor, befindet sich das österreichische Segelnationalteam bereits in Enoshima, um sich intensiv und frühzeitig vorzubereiten. Seit dem Ende der vergangenen Spiele in Rio de Janeiro steht der Fokus beim OeSV auf Tokyo 2020, weshalb bereits zum dritten Mal in dieser Olympiade ein Trainingslager im Segelrevier von Enoshima stattfindet. Für zwei von vier vom OeSV beschickte Bootsklassen findet aktuell bereits die gezielte Olympia-Vorbereitung statt, da sie das Olympia-Ticket bereits gelöst haben. Weitere zwei Klassen sollen noch in diesem Jahr folgen, um in einem Jahr "um Medaillen segeln zu können“ wie es sich OeSV-Sportdirektor Matthias Schmid wünscht.

„Bereits im nacholympischen Jahr waren wir in Tokio, um uns gezielt auf die olympischen Spiele 2020 vorzubereiten und wir waren in dieser Olympiade jedes Jahr vor Ort. Tag eins nach Olympia ist für uns 1432 Tage vor Olympia. Bei der Tokyo-Kampagne war es nicht anders. Wir waren immer eine der ersten Nationen, die die gezielte Vorbereitung vor Ort startete“, gibt Schmid bekannt. Ein Training in Enoshima ist auch auf Grund der immer wieder wechselnden Bedingungen enorm wichtig wie Schmid anführt: „Enoshima ist für uns ein besonders schwieriges Revier, das zahlreiche Herausforderungen mit sich bringt. So bringen zum Beispiel die unterschiedlichen Jahreszeiten eine zusätzliche Komplexität. Nur im Juli und August ist es möglich Wind und Welle so verstehen zu lernen, wie sie uns voraussichtlich auch in einem Jahr erwarten. Dieser intensive Vorbereitungsaufenthalt ist äußerst vielschichtig und erfordert ein hohes Maß an Koordination.“

Zahlreiche Experten unterstützen Team
Um alle Herausforderungen unter einen Hut zu bekommen, sind neben den Athleten und Trainern auch zahlreiche Experten mit vor Ort. „Es muss innerhalb von nur zwei Monaten alles gelöst werden. Wir reden hier von 16 Stunden Arbeitstagen. Denn neben der seglerischen und der physischen Vorbereitung kommen meteorologische Analysen, komplexe Materialtests und vieles mehr hinzu,“ erklärt der OeSV-Sportdirektor.

Nationenticket als „Eintrittskarte“ für Tokyo 2020
Der Österreichische Segelverband konnte in den vergangenen Jahrzenten bereits für zahlreiche Olympia-Medaillen sorgen. Im kommenden Jahr sollen wieder österreichische Segler vom Podium strahlen. Deshalb wurde bereits zu Beginn der Olympia-Kampagne das  Ziel ausgegeben, in vier Bootsklassen die Olympia-Qualifikation zu schaffen und wenn alles optimal läuft: „Medaillen zu gewinnen“, wie Matthias Schmid betont. „Das Potenzial dazu werden alle von uns geschickten Klassen haben. Für manche wird das Ziel natürlich greifbarer als für andere sein. Darüber entscheidet auch die Entwicklung des nächsten Jahres. Wir haben aber alle denselben Anspruch“, so Schmid. Ehe auch tatsächlich in vier Bootsklassen um Olympia-Medaillen gesegelt werden kann, müssen im 470er und im 49er die Nationentickets erstmal gelöst werden.

Zajac dank "Sicherheit" großer Medaillenaspirant
In den Klassen Nacra 17 und 49erFX wurden die Nationentickets bereits im vergangenen Jahr gelöst. In beiden Fällen maßgeblich beteiligt waren Steuermänner/Frauen, die bereits bei den letzten Spielen in Rio de Janeiro olympisches Edelmetall eroberten. Nach den erfolgreichen Spielen in Brasilien trennte sich das Erfolgsduo Thomas Zajac/Tanja Frank, um eine neue Herausforderung zu suchen. Im Nacra 17 geht Thomas Zajac nun mit Barbara Matz an den Start. „Das Ziel ist ganz klar in Tokio erneut zuzuschlagen. Toms Vorteil ist, dass er durch seine Bronzemedaille von Rio eine gewisse Sicherheit hat. Das bringt natürlich auch viel Kraft. Er weiß, dass er es schon geschafft hat,“ traut Schmid Thomas Zajac und Partnerin Barbara Matz in Tokio eine Medaille zu. Der Startschuss für Zajac/Matz bei den Olympischen Spielen 2020 erfolgt am 29. Juli. Das Medal Race geht am 8. August 2020 über die Bühne.

49er FX: Vizeweltmeisterinnen Frank/Abicht haben Ticket noch nicht fix
Im 49er FX will Tanja Frank mit Lorena Abicht angreifen. Mit Silber bei der WM 2018 in Aarhus/Dänemark haben sie bereits ihre Ambitionen für Olympia-Edelmetall unterstrichen. Trotz ihres starken WM-Abschneidens ist die Olympiateilnahme von Frank/Abicht noch nicht fix. Denn mit Kohlendorfer/Farthofer und Schöfegger/Boustani gibt es zwei weitere ambitionierte Teams. „Für die drei Teams der 49erFX gilt es sich für die olympischen Spiele zu empfehlen. Tanja Frank und Lorena Abicht haben das Ticket gelöst und sind als Vizeweltmeisterinnen aktuell in der Poleposition. Aber auch die anderen beiden Teams haben natürlich noch Chancen Tanja und Lorena zu überholen,“ gibt Schmid bekannt. Aktuell bereiten sich alle drei Teams auf Tokyo 2020 vor. Beim nächsten großen Event, den „Pre-Olympics“ im August, haben Frank/Abicht zwar die große Chance ihre Favoritenrolle zu untermauern, da nur ein Boot pro Klasse starten darf. Beim anschließenden Weltcup (ebenfalls in Enoshima), sowie der WM in Auckland und abschließend dem Weltcup in Genua, haben auch die anderen beiden Teams wieder die Chance ihr Können unter Beweis zu stellen. „Kohlendorfer/Farthofer und Schöfegger/Boustani haben noch zahlreiche Chancen sich zu empfehlen. Es ist eine tolle Situation mehrere starke Boote in einer Klasse zu haben, da man auch Verletzungen nicht ausschließen kann,“ freut sich der ehemalige Olympiateilnehmer Schmid. Die ersten Olympia-Regatten gehen im 49er FX am 28. Juli 2020 über die Bühne. Das Medal Race erfolgt am 3. August 2020.

470er kämpfen im August um Olympiaticket
Im 470er fehlt dem OeSV das Olympia-Nationenticket noch. Dieses soll vom 4. bis 9. August bei den Klassen-Weltmeisterschaften erreicht werden. Nachdem Bargehr/Mähr den Quotenplatz im ersten Anlauf bei der letztjährigen WM in Aarhus knapp verpasst haben, gehen nun vier Tickets an die bestplatzierten unter den noch nicht für Tokyo 2020 qualifizierten Nationen. Die beiden Vorarlberger Bargehr/Mähr zeigten zuletzt starke Leistungen und zogen sowohl bei der EM als auch dem Weltcup-Finale jeweils ins Medal Race ein. Doch die Konkurrenz ist groß: Insgesamt nehmen 36 Nationen einen Olympia-Startplatz bei den 470er-Herren in Angriff. Zudem wurde das Teilnehmerfeld im Vergleich zu Rio 2016 von 26 auf nur 19 Startplätze verkleinert. Neben Gastgeber Japan sind Australien, Frankreich, Großbritannien, Italien, Neuseeland, Spanien, Schweden und die Vereinigten Staaten von Amerika bereits qualifiziert. „Die 470er haben eine ganz andere Vorbereitung als der Rest des Nationalteams. Für beide Teams ist es eine enorme Herausforderung mehrere Regatten hintereinander zu absolvieren. Aber ich denke, dass die Chancen gut bis sehr gut stehen. Vom seglerischen Niveau hätten sich David und Lukas das Ticket mehr als nur verdient. Wir wissen aber, dass der Segelsport komplex ist und von vielen Unsicherheitsfaktoren abhängig ist. Anders als in einigen anderen Sportarten, stehen beim Segeln nicht immer die Besten ganz oben. Es hängt vieles von Bedingungen, Materialproblemen, Protesten und anderen Faktoren, die man vorher nicht beeinflussen kann, ab. Wir versuchen diese Unsicherheiten aber durch unsere gezielte und langfristige Vorbereitung zu minimieren. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass wir auch mit Kampelmühler/Czajka ein zweites Boot haben, dass genauso die Chance hat.“ Sollten sie das Ticket bei der Klassen-WM verpassen, gäbe es auch für sie beim Weltcup in Genoa 2020 die letzte Qualifikationsmöglichkeit, auf welche der Sportdirektor gerne verzichten möchte. „Wir wollen uns auf keinen Fall auf diesen Strohhalm verlassen,“ betont Schmid. Am 29. Juli 2020 erfolgt der Startschuss des Olympiaevents für die 470er. Am 5. August 2020 wird die Klasse durch das Medal Race abgeschlossen.

49er: Weltranglisten-2. Bildstein/Hussl müssen sich gedulden
Auch im 49er steht der österreichische Segelverband bislang ohne Olympia-Nationenticket da. Die Weltranglistenzweiten Benjamin Bildstein und David Hussl müssen sich noch bis Ende November gedulden, ehe sie bei der WM in Auckland/Neuseeland um das Ticket segeln. „Auch wenn die Ausganssituation für die 49er etwas anders ist als bei den 470ern, schätze ich die Chancen ähnlich ein. „Man muss auch anmerken, dass die spätere Ticketentscheidung auch durchaus Vorteile hat. So müssen wir bei den 49ern nicht jetzt schon endgültige Materialentscheidungen für die Olympischen Spiele treffen. Benjamin und David haben bewiesen, dass sie mehr als nur Top-10-fähig sind. Sie sind seit zwei Jahren in der absoluten Weltspitze. Allerdings haben andere starke Nationen auch das Ticket noch nicht lösen können. Das bedeutet, dass es knallharter Kampf um die Tickets wird. Wir haben aber absolut das Potential und um ehrlich zu sein eigentlich die Verpflichtung die Qualifikation zu schaffen,“ hofft Matthias Schmid auf die sichere Qualifikation der Weltranglistenzweiten. Vom 28. Juli 2020 bis zum 3. August 2020 ist die Regatta im 49er angesetzt.

Pre Olympics und Weltcup
Der nächste große Test für die OeSV-Olympiahoffnungen steht vom 17. bis 22. August auf dem Programm. Das „Tokyo 2020 Olympic Test Event“ bildet die große Olympiageneralprobe. Beim Veranstalter stehen alle Systeme auf dem Prüfstand und auch am Wasser gelten dieselben Regeln wie im darauffolgenden Jahr bei den Olympischen Spielen. So wird es ähnlich große Starterfelder geben und bis auf wenige Ausnahmen darf nur ein Boot pro Nation an den jeweiligen Klassen-Regatten teilnehmen. Während Thomas Zajac/Barbara Matz (Nacra 17) und Benjamin Bildstein/David Hussl (49er) gesetzt waren, fiel die Entscheidung in den zwei weiteren vom OeSV beschickten Klassen auf die 49erFX-Vizeweltmeisterinnen Tanja Frank/Lorena Abicht sowie im 470er auf Bargehr/Mähr. Abgeschlossen wird der zweimonatige Japan-Block mit dem Weltcup-Event, an dem vom 25. August bis 1. September alle acht OeSV-Boote teilnehmen werden.

Olympische Zeitreise
Die olympischen Segelbewerbe sind vom 26. Juli bis 5. August 2020 vor dem Yachthafen von Enoshima geplant. Nachdem der Sportboothafen auf der Halbinsel in der Sagami-Bucht bereits bei den ersten olympischen Sommerspielen 1964 in Tokio Austragungsort der Segelbewerbe war, wird dieser auch für die olympischen Wettfahrten 2020 genützt. Für eine Medaille reichte es beim letzten olympischen Einsatz des österreichischen Nationalteams in Tokio nicht. 1964 waren neben 2012 (London) die einzigen Olympischen Sommerspiele, bei denen Österreich in keiner Sportart eine Medaille erringen konnte. Segellegende Hubert Raudaschl schrammte bei seinen zweiten von insgesamt zehn Olympiateilnahmen mit Rang fünf in der Klasse Finn Dinghy allerdings nur knapp an einer Medaille vorbei. Durch seine zehn Olympiateilnahmen (1960-1996) war er bis 2012 alleiniger Rekordhalter, was Teilnahmen bei Olympischen Spielen betrifft. 1968, bei den Spielen in Mexiko erklomm Raudaschl schließlich das Podest. Mit Platz zwei sorgte er für die erste Medaille des OeSV bei Olympischen Spielen. 14 Jahre später war Raudaschl bei Olympischen Spielen noch einmal erfolgreich. In Moskau holte er erneut Silber. Ebenfalls für eine Silbermedaille sorgten Karl Ferstl im Star, sowie Wolfgang Mayrhofer im Finn. Es waren die letzten Medaillen bei Olympischen Spielen im 20. Jahrhundert für das österreichische Segeln.

Gleich zu Beginn des neuen Jahrtausends konnte Österreich in Sydney groß anschreiben. Sowohl Roman Hagara/Hans Peter Steinacher im Tornado, als auch Christoph Sieber im Windsurfen kürten sich zu Olympiasiegern. Es waren die ersten Goldmedaillen für den österreichischen Segelverband bei Olympischen Spielen. Nur vier Jahre später konnten Hagara/Steinacher ihren Titel wiederholen. Andreas Geritzer im Laser sorgte mit Silber für eine weitere Medaille. Die drei Medaillengewinner sind noch heute eng mit dem OeSV verbunden und unterstützen mit Rat und Tat. Nach zwei medaillenlosen Spielen standen 2016 wieder österreichische Segler auf dem Siegerpodest. Tanja Frank und Thomas Zajac holten Bronze im Nacra 17. Es war die einzige Medaille für Österreich in Rio de Janeiro.