Segelverband
14.03.2024

Wasser, Wind und Worte: Der Präsident macht sich Gedanken

8. März - Internationaler Frauentag

Am 8. März findet alljährlich der Internationale Frauentag statt. Was bereits vor über 100 Jahren als Teil der bis heute andauernden Bewegung zur Gleichstellung der Geschlechter aus politischen und sozialen Motiven begann, ist dank zahlreicher Initiativen seit einigen Jahren in allen Lebensbereichen angekommen, und natürlich auch im Sport.

Mit Blick auf die Windsportarten ist es heute selbstverständlich, dass es „Mixed Teams“ gibt, dass sich bei den Olympischen Spielen gleich viele Frauen wie Männer messen und dass sich Frauen in unseren Segelclubs engagieren. Die erste olympische Goldmedaillengewinnerin war eine Seglerin, die Schweizerin Hélène de Pourtalès. Viele berühmte Seglerinnen könnte man an dieser Stelle noch nennen. Auch in unseren Reihen können wir auf eine Reihe von überaus erfolgreichen Seglerinnen verweisen, auf die wir stolz sind.

Aber reicht dies, um behaupten zu können, dass alles gut ist? Blickt man hinter die Kulissen, so lautet die ernüchternde Antwort leider „Nein“.

Der durchschnittliche österreichische „Windsportler“ ist nach wie vor überwiegend männlich und über 50. Das setzt sich in allen Bereichen fort, betrachtet man zum Beispiel die Struktur der Race Officials, Trainer*innen und Funktionär*innen. Frauen finden wir nach wie vor oft hinter den Kulissen, bei der Registrierung oder bei der Vorbereitung von Veranstaltungen. Warum ist das so? Wollen Frauen nicht in erster Linie stehen? Sind bestimmte Funktionen wirklich für Männer besser geeignet? 

Auch meine eigene Erfahrung im Motivieren von Frauen für ein Ehrenamt im OeSV kann durchaus als durchwachsen bezeichnet werden. Ich musste wiederholt feststellen, dass Frauen in diesem Bereich die gleichen Hürden vorfinden wie im beruflichen Leben. Sie sind oft mehrfach belastet durch Job, Kindererziehung, die Pflege von Angehörigen und vielem mehr. Die klassischen Rollenbilder sind noch lange nicht überwunden.

Auch im Umgang mit der Rolle der Frau im Segelsport ist noch einiges zu schärfen. Aussagen über weibliche Teams wie „Sie segeln gut, obwohl sie Frauen sind.“, sind noch immer weitverbreitet. Auf meinem Tisch liegt eine Masterarbeit einer Seglerin, die sich mit der Rolle der Frau auf Yachten beschäftigt. Aus vielen praktischen Beispielen lernt man unter anderem, welche Rolle eine Frau an Bord idealerweise haben soll und wie sich typische Männerteams verhalten, wenn eine Frau den Pier entlang kommt. Dies mag noch harmlos erscheinen, ist aber bereits das Fundament einer Pyramide, deren Spitze der Missbrauch ist; ein Thema, dem sich der Sport in den letzten Jahren zunehmend widmet und das nicht erst bei körperlichen Übergriffen beginnt. Unser Fachausschuss für Genderangelegenheiten leistet hier dankenswerterweise laufend gute Arbeit, auch rund um den Komplex „Safe-Sailing“.

Etwas möchte ich subjektiv festhalten. Ich bin kein Fan von Quoten, sind sie in meinen Augen indirekter Ausdruck von Diskriminierung. Vielmehr sollte die Motivation, also Frauen Empowerment, im Vordergrund stehen. Auf der strategischen Agenda, die das OeSV-Präsidium laufend weiterentwickelt, findet sich die Zielsetzung, mehr Frauen für die „Windsportarten“ und für das Ehrenamt zu begeistern.

Wir unterstützen daher Initiativen, die in diese Richtung gehen, und wir wollen Frauen jeden Alters motivieren, mitzumachen und vor den Vorhang zu kommen. Bei der letzten Österreichischen Hochsee-Staatsmeisterschaft gab es ein Damen-Team rund um Skipperin Julia Stelzl. Schon bald werden Damenteams auf unseren J/70-Booten trainieren, einige davon werden bei der Segelbundesliga dabei sein. Genauso, wie unsere erfolgreichen Spitzensportlerinnen Vorbilder für junge Nachwuchssegler*innen sein sollen, sollen diese Initiativen mehr Frauen für unseren schönen Sport begeistern.

Gerade wird diskutiert, ob wir im OeSV eine eigene Arbeitsgruppe oder sogar einen Fachausschuss zum Thema „Frauen im Segelsport“ etablieren wollen. Unter anderem wollen wir die Sinne schärfen und den Segelsport schrittweise vom Klischee des männlichen „Seebären“ befreien.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Ziel ist keinesfalls die ausschließliche Etablierung von Damenteams und Frauenclubs, die sich dann in Konkurrenz zu Männern begeben. Ziel ist eine Gemeinschaft, die weiblicher, vielfältiger und offener ist, die geschlechterspezifischen Stereotypen entgegentritt und in der jede und jeder seinen Platz findet. Eine coole Segler*innengemeinde eben!

Ein kleines Outing in eigener Sache zum Schluss: Seit ich mich strukturiert mit Themen der Diversität im Sport beschäftige, beginne ich vieles anders zu sehen, habe meine Rolle an Bord in gemeinsamen Segelurlauben neu gefunden und bin ua ein Fan davon, meine Frau Corinna ans Steuer der Urlaubsyacht zu stellen, während ich für uns koche. Und natürlich denke ich kritisch über meine eigenen Aussagen nach, wenn ich doch wieder in eingebrannte Muster verfalle.

Veränderung beginnt immer im Kopf, und ich lade alle meine männlichen Kollegen ein, diese auch zuzulassen, damit es vielleicht irgendwann keinen „Frauentag“ mehr braucht, weil es dann heißt: „Sie segeln gut!“ – und Punkt!