18.08.2016

Olympisches Tagebuch - Teil 12: VIEL GEFÜHL

Österreichs Segler durchlebten bei den Rio-Spielen ein emotionales Wechselbad der Gefühle. Einer von vier möglichen Matchbällen wurde verwandelt, jetzt wird  zusammengepackt und analysiert.

Wie knapp Freud und Leid beieinander liegen, zeigten die Entscheidungen bei den Seglern, wo zunächst die Hoffnungen auf Edelmetall im Atlantik versenkt wurden und 24 Stunden später dank der Bronzefahrt der heimischen Nacra17-Segler die Freudentränen flossen. Während Thomas Zajac und Tanja Frank bejubelt werden und die Schultern weich geklopft bekommen, sind Nico Delle Karth und Niko Resch nach wie vor am Verdauen ihrer wohl bittersten sportlichen Momente. Die 49er beendeten ihren vierten Olympia-Auftritt auf Rang zwölf und waren beim heutigen Medal Race der 49er lediglich in der Zuschauerrolle. Die Neuseeländer Burling/Tuke standen vorzeitig als Olympiasieger fest, Silber ging an Outteridge/Jensen (AUS), Bronze holten die Deutschen Heil/Ploessel.

 Matthias Schmid und Florian Reichstädter, die ihre Medaillenchancen am letzten Tag des Grunddurchganges begraben mussten, lief das Medal Race nicht nach Wunsch. Die Österreicher wurden unmittelbar beim Start von der starken Strömung auf das Startschiff gedrückt und nahmen das Rennen nach der Entlastung als letzte in Angriff. Die Aufholjagd endete auf Rang sieben, damit schlossen die 470er-Herren ihre dritten Olympischen Spiele punktgleich mit den siebentplatzierten Franzosen auf Gesamtrang acht ab.

Bei 470er-Damen Lara Vadlau und Jolanta Ogar, die wie Schmid/Reichstädter eine Wettfahrt im Grunddurchgang gewannen, aber ebenfalls ohne Medaillenchance ins finale Rennen gestartet waren, lief es auch zum Abschluss nicht nach Wunsch. Die Doppel-Weltmeisterinnen beendeten das Medal Race und ihre ersten gemeinsamen Olympischen Spiele auf Gesamtrang neun. Den Olympiasieg holten die Britinnen Mills/Clark, Silber ging an Aleh/Powrie (NZL) – 2012 war es genau umgekehrt.

Österreichs Segler sind in den kommenden Tagen mit dem Verladen des Materials beschäftigt, in Summe werden zwei Container verschifft. Der Rückflug erfolgt am kommenden Dienstag, die Mannschaft landet am 24. August um 13.10 Uhr in Wien-Schwechat.

Stimmen:

Thomas Zajac:
„Wir schweben nach wie vor auf der Wolke sieben, die Medaille kann uns niemand nehmen, es ist großartig und nach wie vor schwer in Worte zu verpacken. Das einzige was mir sauer aufstößt, ist die zum Teil sehr geringe Wertschätzung den anderen Sportlern gegenüber, ich kann das Wort Olympiatourist nicht mehr hören. Jeder hat Limits erfüllen müssen um seinen olympischen Traum auch leben zu dürfen, die Leute haben keine Vorstellung was es heißt eine Kampagne durchzuziehen. Viele von uns haben nicht vier Jahre, sondern wesentlich länger dafür geschuftet, ich ziehe vor jedem Sportler den Hut der es hierher geschafft hat. Der Sommersport ist eine andere Dimension und mit dem Wintersport nicht zu vergleichen. Generell sind wir denke ich auf einem guten Weg, das Projekt Rio hat sich aus der Sicht der Segler jedenfalls bezahlt gemacht, eine ähnliche Unterstützung wird es auch für Tokio brauchen.“
 
Tanja Frank:
„Ich hatte heute die Gelegenheit etwas Abstand zu haben und bin mit meiner Familie am Vormittag auf den Zuckerhut hinauf. Ich hatte in den vergangenen drei Jahren keine Gelegenheit dazu, umso mehr habe ich den tollen Ausblick genossen. Es ist nach wie vor schwer zu begreifen was hier passiert ist, aber natürlich fühlt es sich großartig und sehr speziell an. Im Moment bin ich in der reinen Genussphase. Ich fiebere der Rückkehr nach Österreich und dem Wiedersehen mit meinen Freunden entgegen. Das einzige worauf ich mich nicht so richtig freue, ist das Zusammenpacken des Materials, das sicher ein, zwei Tage in Anspruch nehmen wird.“
 
Georg Fundak (OeSV-Sportdirektor):
„Wir sind mit vier Booten hier hergekommen, unser Ziel war zumindest eine Medaille zu holen, das haben wir geschafft. Natürlich wäre mehr drinnen gewesen, wir waren bis zum Schluss in den 470er-Klassen im Spiel dabei, haben die Medaille erst auf der Zielgeraden aus der Hand gegeben, das ist schade. Wenn die Sportler zu sehr im olympischen Medaillenrausch sind, was bei zwei von unseren Booten der Fall war,  besteht die Gefahr, dass du nach einem nicht so optimalen Start zu viel riskierst oder nicht mehr zurück in die Spur findest. Unsere Vorbereitung war auf einem internationalen Top-Niveau, das steht außer Frage. Wir haben das Rezept und Fachwissen, werden uns an die möglichen Änderungen seitens der olympischen Klassenpolitik oder des olympischen Formats anpassen und weiter konsequent und kreativ arbeiten. Unsere Entwicklung ist positiv, nicht nur aufgrund der Medaille, oder der Top-10 Plätze, sondern weil wir auch in der zweiten Reihe breiter aufgestellt sind. Die Jungen trainieren beinhart, drängen nach, das freut mich. Wir wollen im Idealfall 5-6 Klassen auf Tokio vorbereiten, dafür brauchen wir auf uns abgestimmte Strategien, willige Segler, ein sich mit Österreich identifizierendes und unsere Möglichkeiten akzeptierendes Betreuerteam und zum anderen die finanziellen Ressourcen. Das Projekt Rio hat extrem geholfen, wir sind eine technische sehr komplexe Sportart, ohne diese Art von Unterstützung haben wir definitiv verringerte Chancen. Wir haben Ideen und werden so bald wie geht die nötigen Gespräche mit den Verantwortlichen suchen. Die Vorbereitung auf Tokio hat bereits im Frühsommer 2016 mit der Recherche begonnen, wir haben keine Zeit zu verlieren.“
 
Lara Vadlau:
„Es war die ganze Woche schon extrem zach und der Wurm drinnen, auch das Medal Race ist nicht so gelaufen wie erhofft. Die verletzte Hand hat es nicht leichter gemacht, aber ich habe nie einen Gedanken daran verschwendet heute nicht an den Start zu gehen und ich möchte das auch nicht als Ausrede verstanden wissen. Wir müssen uns erst zusammensetzen und darüber reden, wie und ob es weitergeht. In erster Konsequenz freuen uns jetzt auf zu Hause, wir werden uns die Zeit nehmen, um das Thema Rio in Ruhe aufzuarbeiten und gleichzeitig über die Zukunft zu sprechen.“
 
Matthias Schmid:
„Ich habe die Strömung unterschätzt und konnte die Berührung mit dem Startschiff nicht vermeiden. So etwas darf nicht passieren und ist mir auch noch nie passiert, aber so ist das in unserem Sport. Es passieren ständig neue Dinge, das macht es auch interessant, auch wenn diese Erfahrung nicht positiv war. Wir haben hart gekämpft, ein einstelliges Ergebnis ist nichts wofür man sich schämen muss. Wir wussten dass wir von Fehlern der absoluten Top-Favoriten abhängig sind, Kroatien, Australien und Griechenland haben eine absolut saubere Leistung gebracht, da kann man nur gratulieren. Rio ist vorbei, jetzt schauen wir, was sich für Möglichkeiten auftun. Wir müssen die Entwicklungen abwarten und werden uns dann entscheiden. Was ich mir nicht vorstellen kann ist, dass wir den Segelsport komplett den Rücken kehren werden.“
 
Florian Reichstädter:
„Es war von den Bedingungen her nicht wirklich typisch Rio, also nicht immer so, wie wir es aus der Vorbereitung heraus gekannt haben. Damit konnten wir das Erarbeitete nicht nach Wunsch  ausspielen, hinzu sind Fehler gekommen, es waren aber auch starke Wettfahrten dabei. Das Ergebnis ist nicht unbedingt schlecht, aber ein paar Plätze weiter vorne hätten wir uns schon erhofft. Jetzt über die Zukunft zu reden kommt insofern zu früh, da wir uns einzig und alleine auf Rio konzentriert haben. Ich sehe es ähnlich wie Matthias, glaube definitiv, dass wir dem Segelsport erhalten bleiben, wie das im Detail aussieht, werden die kommenden Wochen weisen. Es sind eine Menge Fragen zu klären nicht zuletzt bleibt abzuwarten, ob wir beim Bundesheer bleiben dürfen.“
 
Nico Delle Karth:
„Wir freuen uns extrem über die Leistung von Tom und Tanja, sie haben eine unglaubliche Serie hingelegt, alles richtig gemacht und sich diese Medaille mehr als verdient. Die Freude darüber hat unsere Enttäuschung etwas verdrängt, wir werden dieses Thema sicher noch aufarbeiten, um endgültig einen Strich darunter machen zu können. Wir hatten eine ausgezeichnete Vorbereitung, eine in allen Belangen exzellente Unterstützung, keinen Druck, mit dem wir nicht umgehen hätten können, aber einfach keinen Lauf und eine unverständlich hohe Fehlerquote. Unsere Leistung war nicht am Punkt, man muss nicht in unserem Umfeld Schuldige ausmachen, diese Niederlage haben wir selber zu verantworten. Wir haben die letzten zwölf Jahre alles dem Ziel einer Olympiamedaille untergeordnet und uns keine Sekunde den Kopf darüber zerbrochen, wie es anschließend weitergehen wird. Wir werden das in aller Ruhe und mit dem nötigen Abstand überlegen, in erster Konsequenz müssen wir wollen, in zweiter können. Nicht zuletzt ist fraglich, ob wir weiter beim Militär bleiben dürfen oder nicht - falls nicht, wäre das wohl mit Sicherheit das Ende meiner olympischen Laufbahn.“

Ergebnisse:

Nacra17/12Wettfahrten/1Streicher+MR*:
1. Santiago Lange/Cecilia Carranza      ARG 77
2. Jason Waterhouse/Lisa Darmanin     AUS 78
3. Thomas Zajac/Tanja Frank              AUT 78 (12)/3/12/6/9/8/8/3/4/10/4/5/3*)
 
470er-Herren/10Wettfahrten/1Streicher+MR:
1. Sime Fantela/Igor Marenic                        CRO 43
2. Mathew Belcher/Will Ryan                         AUS 58
3. Panagiotis Mantis/Pavlos Kagialis             GRE 58
8. Matthias Schmid/Florian Reichstädter  AUT 104 (3/9/6/9/16/2/13/14/(17)/1/7*)
 
470er-Damen/10Wettfahrten/1Streicher+MR:
1. Hannah Mills/Saskia Clark                   GBR 44
2. Jo Aleh/Polly Powrie                            NZL 54
3. Camille Lecointre/Helene Defrance     FRA 62
9. Lara Vadlau/Jolanta Ogar                 AUT 92 (3/12/12/5/6/1/5/16/(DSQ)14/9*)
 
49er/12Wettfahrten/1Streicher+MR:
1. Peter Burling/Blair Tuke                             NZL 35
2. Nathan Outteridge/Ian Jensen                   AUS 78
3. Erik Heil/Thomas Ploessel                         GER 83
12. Nico Delle Karth/Niko Resch                 AUT  116
(17/6/10/18/3/14/3/14/(DNF)/4/11/16)