27.07.2016

VIER BOOTE FÜR EIN HALLELUJA

Österreichs Top-Segler starten mit jeder Menge Vorfreude, Heiß-Hunger und Respekt in die olympischen Wettfahrten. Fast könnte man von Erleichterung sprechen, dass endlich, nach über 40 Monaten hoher Reiseintensität und beinharter, detailverliebter Arbeit der Startschuss für die Segel-Bewerbe in und vor der Guanabara Bucht fällt. Österreichs Segler haben diese vor über drei Jahren zu ihrer zweiten Heimat erklärt, nahezu jede regattafreie Woche wurde genutzt, um das komplexe Revier besser und besser kennen zu lernen.

Flachwasser, viel Strömung und aufgrund der Landbeeinflussung recht launische Winde – so das Menü auf den vier inneren Bahnen, auf offener See warten stabilere Wind- und Strömungsverhältnisse, dafür ein turbulentes, meterhohes Wellenbild. Jede einzelne der in Summe sieben Regattabahnen ist anders, jede speziell. Damit war in erster Konsequenz das Metrologie-Team um Elena Cristofori gefordert. Die Turinerin begann unmittelbar nach den London-Spielen mit der generellen Datensammlung und schulte die Schützlinge von Sportdirektor Georg Fundak in ihrem Bestreben, das örtliche Wetter lesen und interpretieren zu lernen. Parallel dazu spulten die OeSV-Boote mehr oder weniger das komplette Regattaprogramm ab und bestätigten mit fünf WM- und ebenso vielen EM-Medaillen, die neben zahlreichen Weltcupsiegen seit 2012 zu Buche stehen, die Investitionen und Erwartungen. Man darf in vier Bootsklassen Ansprüche stellen, ein Privileg, das hart erarbeitet ist, hoffen, aber nicht abheben lässt. 

IM RAMPENLICHT

Wer bei vier Weltmeisterschaften ebenso oft am Podium steht und zweimal gewinnt, dazu alle EM-Farben in Form von Medaillen in der Vitrine hängen hat, zählt automatisch zu den ganz großen Favoriten. Die Weltklasse von Lara Vadlau und Jolanta Ogar ist unbestritten, wer, wenn nicht die beiden, aber so einfach wie es klingen mag, wird es freilich nicht. Die Liste jener die ebenso berechtigte Ansprüche stellen dürfen ist lang und wird von den Olympiasiegerinnen Joe Aleh und Polly Powrie (NZL), den regierenden Weltmeisterinnen aus Frankreich, Camillie Lecointre und Helene Defrance sowie den Olympiazweite von 2012, Hannah Mills und Saskia Clark (GBR) angeführt. Weitere heiße Aktien sind die US-Ladies Anne Haeger und Briana Provancha, die die Olympia-Generalprobe im vergangenen August für sich entscheiden konnten, sowie Fernanda Oliveira und Ana Luiza Barbachan, die mit dem Bonus des Heimvorteils antreten. Polen, China, Russland und Slowenien sind in der Lage zu überraschen, damit verspricht das Gerangel um das Olympiapodium ordentlich Würze, entschieden wird es inklusive Medal Race in elf Wettfahrten.

Nicht minder aufregend und unterhaltsam dürfte die 13 Wettfahrten (ink. Medal Race) andauernde 49er-Konkurrenz werden, wobei mit es mit Peter Burling und Blair Tuke klar Goldfavoriten gibt. Die Kiwis wurden viermal in Folge Weltmeister, sind im 49er seit 23 Regatten ungeschlagen. Die letzte Niederlage wenn man so sagen möchte, waren die Olympischen Spiele 2012 und Rang zwei. Eine Siegerehrung ohne neuseeländische Hymne käme demnach überraschend, bei Silber und Bronze sieht die Sache freilich anders aus. Zumindest acht Nationen haben berechtigte Ansprüche, allen voran die Olympiasieger von 2012, Nathan Outteridge und Ian Jensen (AUS), die regierenden Europameister Diego Botin und Iago Lopez Marra (ESP), der Olympiasieger von Peking Jonas Warrer (DEN), oder die Engländer Dylan Fletcher/Alain Sign. Nicht zu vergessen auf die Deutschen, Franzosen, Polen und vor allem die Österreicher. Nico Delle Karth und Niko Resch zeichnet die Routine von drei Olympiateilnahmen aus, sie sind regierende Vize-Welt- und Europameister und haben mit Rang zwei bei der Olympiageneralprobe im Vorjahr gezeigt, dass das Revier mundet. Was 2012 in Weymouth mit Platz vier nur haarscharf verpasst wurde, soll diesmal gelingen, die Vorzeichen sind vielversprechend. Einfach wird es trotzdem nicht.

Noch schwieriger aber auf jeden Fall machbar - so lässt sich die Ausgangsposition in den beiden restlichen Klassen mit österreichischer Beteiligung zusammenfassen. Matthias Schmid und Florian Reichstädter, zum dritten mal dabei und bei den Spielen 2012 starke Neunte, sind absolut in der Lage Nadelstiche zu setzen. Die EM-Zweiten von Athen (2014) fühlen sich in Rio pudelwohl, bei der Generalprobe kamen die Wiener erst am letzten Drücker vom Podestkurs ab. Auch diesmal zeichnet sich ein knappes Rennen ab, Medaillenkandidaten gibt es ein knappes Dutzend. Ähnliches gilt für die Olympiadebütanten Thomas Zajac und Tanja Frank. Das Mixed-Multihull-Duo (Nacra17) schrammte bei der Weltmeisterschaft in Clearwater/USA als vierte nur haarscharf am Podest vorbei und unterstrich im Rahmen des Rio-Test Events 2015 mit dem Sieg im Medal-Race ihr Potential. Auch bei der Olympiapremiere des Katmarans ist die Liste der ernsthaften Gegner üppig und lang, auch hier darf sich keiner viele Fehler erlauben.